
Auf meinen ersten offenen Brief an die dänische Botschafterin in Deutschland hat die dänische Botschaft noch nicht reagiert. Am 20. Mai 2021 hatte ich mich bereits auf diesem Wege an die dänische Regierung gewandt und gegen die Abschiebepläne unseres nördlichen Nachbarlandes protestiert. Syrien ist nicht sicher. In der Assad-Diktatur sind willkürliche Verhaftungen und Folter an der Tagesordnung. Das Regime führt nach wie vor einen erbarmungslosen Krieg gegen die eigene Bevölkerung. Derzeit wird die von oppositionellen Milizen gehaltene Region Idlib im Nord-Westen des Landes regelmäßig bombardiert. Zudem hungert das Assad-Regime die im Süden gelegene Region Daraa durch eine Blockade regelrecht aus. Nach wie vor ist das Schicksal der über 100.000 Menschen nicht geklärt, die in den Foltergefängnissen der Geheimdienste verschwunden sind. Aufgrund der anhaltenden Massenverbrechen ist jede Zusammenarbeit mit dem Regime undenkbar. Dies gilt insbesondere bei der geplanten und erzwungenen Rückführung von Geflüchteten aus Syrien in ihr Heimatland. Bereits die Absicht, in eine derartige Diktatur abschieben zu wollen, bedeutet nicht nur einen Bruch mit europäischen Werten und den Grundlagen unseres Rechtssystems. Es ist nichts anderes als bekennende Mittäterschaft. Aus diesem Grund habe ich mich erneut mit einem offenen Brief an die dänische Regierung bzw. an die dänische Botschafterin Ihre Exzellenz Frau Susanne Christina Hyldelund gewandt, um dagegen zu protestieren:
Das Schreiben ging am 21. Juli 2021 per Einschreiben-Rückschein an die dänische Vertretung in Deutschland.
Jens-Martin Rode
10405 Berlin
www.blogbuchstaben-kreuz-und-quer.de
Botschaft des Königreichs Dänemark
Ihrer Exzellenz Frau Susanne Christina Hyldelund
Rauchstraße 1
10787 Berlin
Berlin, den 21. Juli 2021
Sehr geehrte Frau Botschafterin,
hiermit möchte ich mich erneut mit meinem Anliegen an Sie als diplomatische Vertreterin Ihres Landes in Deutschland wenden: Bereits am 20. Mai diesen Jahres hatte ich mich mit einem offenen Brief an Sie gewandt bezüglich der Situation von geflüchteten Menschen aus Syrien in Dänemark. Diesbezüglich möchte ich gern nachfragen: Haben Sie das Schreiben erhalten? Habe ich möglicherweise eine Antwort Ihrerseits übersehen? Gern möchte ich auf diesem Wege nach dem Bearbeitungsstand fragen und mein Anliegen noch einmal bekräftigen:
Nach Berichten von Menschenrechtsorganisationen wie z.B. the Syria Campaign hat die dänische Einwanderungsbehörde mindestens 380 schutzsuchende Syrerinnen und Syrer aufgefordert, Dänemark zu verlassen, da nach Einschätzung der dänischen Regierung Syrien und insbesondere die Region Damaskus wieder sicher sei.
Als Bürger der Europäischen Gemeinschaft, welche die Menschen- und Bürgerrechte zum unverrückbaren Fundament ihrer Existenz macht, muss ich heute erneut bei Ihnen als oberste Vertretung Ihres Landes in Deutschland dagegen Protest erheben:
In diesem Zusammenhang möchte ich mich zugleich mit folgenden Fragen an Sie und die dänische Regierung wenden:
a) Welche Lageberichte und welche Expertise liegen der aktuellen Beurteilung der Situation in Syrien und der Entscheidung zur Aberkennung des Flüchtlingsstatus bei Geflüchteten aus Syrien zugrunde?
b) In wie weit beabsichtigt die Regierung Dänemarks eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zur Assad-Diktatur?
c) Trifft es zu, dass abgelehnte Asylbewerber*innen in Dänemark in Ausreisezentren unter haftähnlichen Bedingungen gefangen gehalten werden, um sie zur Ausreise nach Syrien zu nötigen?
e) Wie groß ist der Personenkreis der aus Syrien stammenden Geflüchteten in Dänemark und wie viele Personen werden Ihrer Kenntnis nach derzeit zur Ausreise aufgefordert? Wie viele Personen plant die dänische Regierung künftig zur Ausreise aufzufordern?
Mit diesem Schreiben appelliere ich an Sie und die dänische Regierung erneut: Syrien ist nicht sicher! Die Einstellung der Kampfhandlungen in bestimmten Teilen Syriens bedeutet nicht, dass Menschen sicher dorthin zurückgehen können. Eine Vielzahl an Menschenrechtsorganisationen haben die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Syrien immer wieder umfassend dokumentiert. Der Zivilbevölkerung, einschließlich zurückkehrender Geflüchteter, drohen in Syrien schwerste Menschenrechtsverletzungen, willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen oder Verschwindenlassen. Allen syrischen Asylsuchenden sollte deshalb in Dänemark Schutz gewährt werden.
Als Bürger meines Landes schreibe ich Ihnen diese Zeilen aus tiefster Sorge. Sollte Dänemark tatsächlich Abschiebungen und Rückführungen nach Syrien durchführen, hat dieses auch unmittelbare Auswirkungen auf die Flüchtlingspolitik meines Landes. Dies wirkt als schlechtes Vorbild. Besser gesagt, es bedeutet einen Dammbruch. Denn Abschiebepläne nach Syrien beruhen nicht nur auf einer vollkommenen Fehleinschätzung der Lage in Syrien. Sie fördern zudem eine zunehmend flüchtlingsfeindliche Stimmung in Deutschland, ziehen das Recht auf Schutz vor Verfolgung in Zweifel und begünstigen damit eine Diktatur, welche Verbrechen gegen die Menschlichkeit in unvorstellbarem Ausmaß begangen hat und begeht.
Bitte ergreifen Sie umgehend Maßnahmen, um den Schutz aller in Dänemark lebenden Syrerinnen und Syrer zu gewährleisten, darunter auch derjenigen, die zeitlich befristete Aufenthaltstitel haben. Allen Syrerinnen und Syrern muss Schutz gewährt werden, bis die Situation in Syrien sie nicht länger in ihren Grundrechten bedroht und das Land eine Perspektive auf ein Leben in Freiheit und Würde ohne die Diktatur des Assad-Regimes hat.
In Versicherung meiner ganz ausgezeichneten Hochachtung und mit freundlichen Grüßen,
Ihr Jens-Martin Rode
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